Reisebericht M/S Norröna im Mai 2018
Wikingerkreuzfahrt oder „Isch will aba nich mehr zu NETTO!“
(eine etwas längere) Vorgeschichte
Dienstag, 31. Oktober 2017
(Reformationstag, endlich mal gesetzlicher Feiertag für die Berliner und...)
Seit sie uns am letzten Wochenende mit der Zeitumstellung wieder eine Stunde „geschenkt“ haben, wünsche ich mir, ich könnte dieses Geschenk zurückgeben.
So ein Blödsinn. Für einmal eine Stunde länger schlafen, sitze ich nun hier so gegen halb fünf nachmittags und schaue hinaus in die beginnende Dämmerung. Der Sturm vor zwei Tagen hat auch den letzten Blättern an den Bäumen den Rest gegeben. Jetzt wird’s wirklich langsam Winter.
Dies ist jetzt der ideale Zeitpunkt, sich mit den Urlaubsplänen fürs nächste Jahr zu beschäftigen. Der erste Schritt dafür ist bereits getan und nun suche ich für unsere Vorübernachtung in Hamburg ein Hotelzimmer.
Das sollte doch eigentlich kein Problem sein: Einfach mal bei triva.. „Hamburg“ und 11.- 12. Mai 2018 eingeben und.... voila!
Ich studiere die Ergebnisliste:
„Kempinski.......450 Euro“
Ja nee, iss klar!
Ein andermal vielleicht. Diesmal darf’s ruhig etwas preiswerter sein – ist ja nur für eine Nacht. Ich scrolle weiter.
289 Euro.......172 Euro.....
Was soll das?
Seid ihr alle bekloppt?
Ein Zimmer im A&O Hostel Hamburg Hauptbahnhof kostet stolze 156 Euro für eine Nacht.
Hab ich irgendwas nicht mitgekriegt???
Leute, ich brauch nur EIN Zimmer, keine Immobilie!
Die aufgerufenen Preise machen mich stutzig. Also wird wieder gegoog...
Boah, DAS ist wirklich dämlich. Genau an diesem Wochenende ist
Hafengeburtstag. Dann brauche ich mich über die Preise auch nicht wundern!
Na Klasse. Von den zur Auswahl stehenden Terminen haben wir prompt den erwischt, an dem in Hamburg der (Preis-)Teufel los ist.
Für nur! 127,- € kann ich mir lt. Internet zwei Betten in einem 6-Mann-Schlafsaal mieten.
Sach mal, hier iss aber nu langsam mal jut!
Aus diesen Überlegungen schreckt mich dann plötzlich die Klingel hoch. Da es der „Im-Haus“-Klingelton ist, rechne mit einem unserer Nachbarn und reiße schwungvoll die Türe auf.
„Komm ri…“
Das Wort bleibt mir buchstäblich im Hals stecken.
Meine Augen ruhen auf einem Geschöpf, wie ich es bisher nur selten
gesehen habe. Und wenn, dann in einem Film oder meiner Fantasie.
‚Shit...., ich wusste doch, dass diese ganze Harry-Potter-Guckerei irgendwann Nebenwirkungen haben wird!‘
Dieses Geschöpf vor meiner Tür ist komplett angezogen – immerhin: es ist also nicht Dobby, der Hauself.
Obwohl, das Wort „angezogen“ die Sache auch nicht wirklich trifft. Dieses Wesen nennt ein Gewand sein Eigen, bei dem die gesammte Kelly-Family schon in den Siebzigern vor Neid garantiert grün und blau geworden wäre. Wobei – mit Farben hatten die’s ja damals auch schon nicht.
Auf dem Kopf trägt es einen Hut à la Prof. Minerva McGonagall. Mein Blick gleitet vorsichtig tiefer. Irgendwo muss doch dieser verdammte Besen sein!
Das Teil scheint abgängig.
‚So. Nu stehn wa beede hier im kalten Hausflur. Mach watt, Süße!’
Auf mein lautes Räuspern hin ruckt die Spitze des Minerva-Hutes nach hinten und ein Gesicht erscheint. Make-up in eklig-gelb muss letzte Woche im Angebot gewesen sein und die Kleine ist mit dem ganzen Gesicht darin gelandet. Übertroffen wird das alles nur durch zwei untertassengroße schwarz umrandete Augen, die mich nun verzweifelt anstarren.
‚Hallo, hier läuft watt falsch! Wer iss denn hier die Hexe?’
Ich versuche es mimisch...
Leider geht das (im übertragenen Sinn) voll in die Hose – oder besser: ins Höschen. Vielleicht hätte ich bei der freundlich-auffordernden Variante doch lieber auf die hochgezogenen Augenbrauen verzichten sollen? Sie weicht noch einen Schritt zurück. Ihre Kopfbedeckung gerät dabei bedenklich ins Wanken.
Himmel!
‚Mädel, wenn Du nich ma langsam in die Pötte kommst, wird datt hier een verdammt langer Abend.’
Es ist ja nicht so, dass ich nicht wüsste, worum’s hier geht. Aber es gibt bestimmte Regeln und ich hab nicht vor, die zu brechen.
Auf dem Flur trampelt inzwischen das Hexchen von einem Bein auf andere.
Vielleicht will sie ja gar nichts Süßes, sondern muss nur aufs Klo?
Das könnte allerdings in diesem Aufzug schwierig werden.
Ich gebe auf.
„Na, watt willste denn?“
„Ssssüßßßßes ohhhooooder Ssssaures???“
‚Halleluja!’
Kinder-Schoko-Bons und Gummibärchen stehen griffbereit und mit einem tiefen Seufzer lässt sie alles in einem kleinen Baumwollbeutelchen verschwinden. Immerhin ist sie ökologisch korrekt ausgerüstet.
Nach einem gehauchten „Danke“ dreht sie auf der Stelle um und macht hastewaskannste die Treppe wieder runter.
Langsam schließe ich die Tür und finde mich selbst ausgesprochen großzügig.
Ich will mich ja nicht streiten, aber eigentlich heißt es doch wohl:“ Süßes, sonst gibt’s Saures!“ – und es sollte als Aufforderung rübergebracht werden und nicht als multiple-choice.
Mit einem kleinen Schmunzeln denke ich an die Bio-Zitrone in meinem Kühlschrank, die ich am letzten Wochenende vergessen habe, in meiner Torte zu verarbeiten (was übrigens den Geschmack nur unwesentlich beeinflusst hat).
Wie hätte sie mich wohl erst angesehen, wenn ich mich bei DER Fragestellung spontan für „Ssssaures“ entschieden hätte und mir selbst - während ich ihr besagte Zitrone in die Hand drücke – den Mund mit Gummibärchen vollstopfe?!
Ich lasse mich wieder vor meinem Computer nieder und mir schwant, dass
es wohl nun doch an mir ist, in irgendetwas Saures zu beißen.
Lt. Auskunft der
Reederei soll der Zubringerbus nach Hirtshals morgens um 07:30 Uhr ab Hamburg
fahren.
Das schaffen wir beim besten Willen noch nicht mal mit dem ersten Zug
von Berlin.
Und während ich diesen alternativlosen Aussichten entgegenblicke,
greife ich gedankenverloren zu der Tüte mit den Gummibärchen...
LG Joean
P.S. Und im nächsten Teil werden wir auch endlich mal etwas konkreter, was unser Reiseziel anbelangt...