Na, da bin ich doch mal auf die Fortsetzung gespannt.
Schön geschrieben und bebildert bisher.
Vielen Dank für deine Mühe und liebe Grüße
Anette
Kommt schon:
13.7.2019 – Geiranger:
Die Einfahrt in den Geirangerfjord hatte ich genüsslich verschlafen. Nach Aussage meiner Frau hatte ich allerdings auch nicht viel verpasst, da vor unserem Balkon dicke Suppe gehangen hatte.
Zum Frühstück gingen wir, wie bereits am Tag zuvor, ins Tag&Nacht Bistro. Das ist übrigens ein echter Geheimtip, wenn man mal kurz vorm Landausflug schnell einen Happen schnappen will und nicht allzu viel Wert darauf legt, 8 Sorten Aufschnitt oder 10 verschiedene Brötchen zur Auswahl zu haben. Und es ist irgendwie morgens nie voll.
Ich war gerade halb durch meine Rühreier durch, als mir ein älterer Herr am Nebentisch auffiel. Beziehungsweise sein Hut. Das war doch tatsächlich das gleiche Modell, welches seinerzeit auch der legendäre Wolfgang Kieling in seiner Rolle als Professor Gunnström in der bereits im letzten Kapitel dieses Berichtes zitierten TV-Serie „Patrik Pacard“ getragen hatte. Was war hier los?
Anschliessend ging es über die schwimmende Anlegebrücke in den beschaulichen kleinen Ort, der im Prinzip rund 250 Einwohner hat, eine Zahl, die sich im Sommer durch Saisonarbeiter im Tourismus mal schnell verzehnfacht. Von den hunderttausenden Touristen – die meisten davon durch Kreuzfahrtschiffe – mal gar nicht zu sprechen.
Die von uns für diesen Tag gebuchte Tour hiess „Adlerkehre und Ziegenalm“. Zu ersterer fuhren wir auch schnell hinauf, nur um feststellen zu müssen, dass die o.g. dicke Suppe noch immer tief über den Bergen hing. Nahezu null Sicht auf die MS5 zu diesem Zeitpunkt – das folgende Bild hatte ich zwei Serpentinen zuvor noch schnell aus dem Bus heraus gemacht:
Na gut, dann vielleicht bei der Rückfahrt.
Weiter ging es ins Landesinnere, wo wir kurze Zeit später an einem hübschen kleinen Bergsee, dem Eidsvatnet, vorbeikamen. Auch hier hingen die Wolken immer noch tief:
Und auch, als wir wieder bergab fuhren und am nächsten Fjord, dem Storfjord, anlangten, änderte sich dieses Bild nicht wirklich:
Dann begann der wirklich abenteuerliche Teil der Busfahrt: über eine einspurige Schotterpiste mit Steigungen von bis zu 24% hinauf zur Herdalssetra, der grössten Ziegenalm Norwegens. Vorbei ging es an munteren Bergbächen (unter Wolken),
einem Bergsee, dem Herdalsvatnet (ebenfalls unter Wolken),
bis wir schliesslich auf der Alm ankamen:
Plötzlich stieg wenige Meter vor mir ein Hubschrauber auf! Naja, eher eine Kameradrohne, aber sofort waren meine Gedanken wieder bei der TV-Serie von 1984. Hatte nicht Patrik selber einen Modell-Hubschrauber mit in den Fjord gebracht? Hatte er an diesem nicht eine Kamera befestigt und damit die Alm mit den in Eis und Schnee wachsenden Ananaspflanzen entdeckt? Ich war schon dabei, mich nach Dimitri und anderen sinistren Figuren mit dunklen Sonnenbrillen umzuschauen, als mich der Erklärungstext einer netten jungen Dame aus Süddeutschland, die den Sommer über auf der Alm wohnte, aus meinen Gedanken riss.
Ziegenalmen sind in Norwegen selten geworden, viele Bauern produzieren den traditionellen Braunkäse, den Geitost, auf niedriger gelegenen Höfen (übrigens konnten wir von unserem Guide erfahren, dass der letzte Bauernhof im Geirangerfjord bereits 1964 aufgegeben wurde).
Um Geitost herzustellen, wird der Ziegenmilch zunächst Lab beigegeben. Der dabei entstehende Frischkäse wird überwiegend verworfen, da die Milch zuvor nicht pasteurisiert wurde. Der verbleibenden Molke wird dann Zucker zugegeben und langsam lange erhitzt und die Flüssigkeit verkocht ist. Die daraus erhaltene Masse wird dann in Blockformen abgekühlt und geschnitten. Für 1kg Käse werden 10l Molke benötigt.
Ausserdem werden auf der Alm auch noch Karamellbonbons auf Ziegenmilchbasis sowie Ziegensalami hergestellt. All diese Leckereien konnten wir dann in einer Hütte verkosten und selbstverständlich auch käuflich erwerben:
Ein echtes Geschmackserlebnis, da habe ich auch gleich ein paar Mitbringsel erstanden (den Geitost mögen meine Frau und ich sowieso schon seit langem – stellt Euch einfach einen Käse mit Karamellaroma vor, der wie Plastiksprengstoff aussieht). Anschliessend konnte man ein wenig auf eigene Faust die Alm erkunden. Während unser Grosser sich vor allem für den Ziegennachwuchs interessierte, schaute ich mir die alten Häuser mit ihrem Dachbewuchs ein wenig näher an:
Schon urig.
Und schon ging es wieder zurück zum Schiff. An der Adlerkehre waren die Wolken leider nur wenig geringer geworden, im Gegenzug hatte sich die Anzahl an Touristen an diesem Ort exponentiell erhöht. Nur mit Mühe fand unser Busfahrer ein kleines Plätzchen zum Aussteigen unter verschärften Bedingungen.
Man konnte die MS5 zwar jetzt von der Adlerkehre aus sehen, aber immer noch lagen dichte Wolken über dem Fjord:
Auch in Richtung der Wasserfälle „Sieben Schwestern“ sah es kaum besser aus (was sich aber am Abend noch ändern sollte):
Zurück in Geiranger wollten wir eigentlich vor Ort essen gehen. Direkt am Anlieger war dann auch ein Imbissstand, der u.a. Hot Dogs anbot – für meine Frau und die Jungs gleich allererste Wahl. Dass ich noch ein wenig nach besseren Alternativen ausschauen wollte, interessierte niemanden aus meine Familie, ich wurde gnadenlos überstimmt. Okay, dann schaue ich halt nach Souvenirs. Und so wechselten innert der Zeit, die Frau und Kinder zum Sättigen brauchten, ein kleiner Troll und ein 2XL-Norwegerpulli in meinen Besitz. Letzteren werde ich wahrscheinlich gnadenlos überzahlt haben, aber bei meinen Körpermassen darf ich nicht so wählerisch sein…
Als ich wieder zurückkam, war meine Frau ziemlich angefressen, dass ich ihr nicht auch einen Pullover mitgebracht hatte. Ich stellte es ihr frei, selber noch eine Einkaufsrunde zu machen, was sie jedoch dankend ablehnte (aus gewissen Gründen, die weit in der Vergangenheit liegen und mich auf Lebenszeit von der Pflicht, meine Frau zum Shopping zu begleiten, befreit haben). Also zurück aufs Schiff.
Am Nachmittag gingen meine Jungs und ich dann zum Schwimmen in die Lagune. Was für ein Panorama von den umliegenden Bergen, ein ganz besonderes Schwimmerlebnis:
Beim Baden in der Lagune muss man übrigens so einiges beachten, unter anderem ist ein Handstand auf dem Wasser streng verboten:
Solltest Du also ein Zirkusartist mit messianischen Tendenzen sein, halte Dich vom Pool fern, okay?
Für den Abend hatten wir uns dann, parallel zum Auslaufen aus dem Fjord, einen Grilltisch am Heck des Schiffes reserviert:
Und nun wurde es so richtig schön kitschig. Zunächst das Auslaufen aus Geiranger,
dann die Vorbeifahrt an den „Sieben Schwestern“, bei der der Kapitän das Schiff noch eine 360°-Drehung vollführen liess, damit auch alle alles perfekt bestaunen und ablichten konnten.
Für alle, die die Legende nicht kennen: vor 200 Jahren soll es an beiden Ufern des Fjordes je einen Bauernhof gegeben haben. Der eine Bauer hatte einen Sohn, der andere 7 Töchter. Der Sohn des einen hat nun sämtliche der 7 Töchter des anderen gefreit, jedoch auch von jeder einzelnen einen Korb bekommen und sich infolgedessen dem Suff ergeben. Die insgesamt acht Wasserfälle sollen nun die ewigen Tränenströme der Beteiligten sein.
Hier zuerst die Schwestern (man kann sie tatsächlich komplett durchzählen):
Und hier der junge Mann, dessen Tränen sich an seinem Schicksal, der Flasche, teilen:
(Bevor Ihr fragt: die Geschichte war uns bereits von unserem Tourguide erzählt worden, ausserdem wurde sie auf dem Schiff während der Vorbeifahrt auch nochmals vom an Bord befindlichen Lektor erzählt.)
Und vor dieser Kulisse sollte nun unser Grillabend stattfinden. Die Karte hat sich übrigens gegenüber dem, was man auf der TC-Homepage finden kann, leicht verändert:
Ich spare mir an dieser Stelle die Bilder vom fertig grillierten Gut, hier nur ein Blick auf den Grillrost:
Das alles ging schön und gut, bis wir den Sunnylvsfjord erreichten: da kam plötzlich starker Wind auf, welcher sämtliche leichten Utensilien der Köchin (eine netten jungen Dame die erst seit wenigen Wochen an Bord und im TC-Ausbildungsprogramm war) wie Backpapier, Einmaltücher etc. in einer grossen Wolke von Bord wehte bzw. auf dem Achterdeck verteilte. Sie hat sich aber tapfer geschlagen und das Grillieren recht souverän weiter über die Bühne gebracht. Für unsere Jungs wurde es aber dann doch ein wenig zu kalt:
Ja, darunter steckt tatsächlich ein Kind. Nur gelegentlich kam von unter der Decke mal eine tastende Hand zum Vorschein, die nur Sekunden später mit einem Hähnchenschlegel oder einer Handvoll Pommes wieder verschwand. Aber auch meiner Frau und mir wurde es irgendwann zu kalt, so dass wir uns ins Schiffsinnere zurückzogen (ich möchte ja gar nicht wissen, wie solche Grillabende auf hoher See ablaufen…)
Demnächst mehr, bleibt dabei.